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The Art of Neuroleadership oder: Wie gehirngerechte Führung Projekte erfolgreicher macht

In den USA erschien im Jahr 2006 erstmals ein Artikel, der das Handlungsfeld “Neuroleadership” thematisierte. In dem Artikel The Neuroscience of Leadership vertraten zwei amerikanische Psychologen, David Rock und Jeffrey Schwartz, die These, dass das Forschungsgebiet der Neurowissenschaften* Führungskräften eine neue oder vielmehr wirksamere Sichtweise auf ihre Art des Führens gibt. Neuroleadership vermittelt, auf welche sozialen, also auf Führung bezogenen, Reize das menschliche Gehirn im Alltag reagiert. Es leitet daraus Empfehlungen für ein effektives, gehirngerechtes Führungshandeln ab. Die Verknüpfung neurobiologischer Perspektiven mit Sichtweisen der Wirtschaftswissenschaften ist im Zusammenhang mit Führung daher nur allzu logisch. Führungskräfte und der durch die Unternehmen vorgegebene organisationale Rahmen (z. B. Kultur) nehmen per se maßgeblichen Einfluss auf das Engagement und damit die Motivation von Mitarbeitern - leider viel zu wenig und nicht selten falsch.

Motivation ist seit Jahrzehnten eines der meist behandelten Themen der Managementliteratur und dies aus gutem Grund. Sie ist elementar, um Mitarbeiter zu binden. Bindung ermöglicht Kontinuität, die wiederum ein Katalysator für Leistung ist. Wer allerdings glaubt, dass das breite Angebot an Weiterbildungen, Konzepten, Ratgebern und Tipps einen positiven Einfluss auf das Führungsverhalten und somit auf die Mitarbeitermotivation nimmt, hat weit gefehlt:

  • Lediglich 15 Prozent (= 5,23 Millionen Beschäftigte) der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen fühlen sich emotional stark an ihren Arbeitgeber gebunden.
  • 61 Prozent (= 21,3 Millionen) hingegen fühlen sich emotional nur gering gebunden und
  • 24 Prozent der Mitarbeiter (= 8,37 Millionen) geben sogar an, gar kein Bindungsbestreben zu empfinden.

Schenkt man diesen Zahlen der aktuellen Gallup-Studie Glauben, stehen innere Kündigungen in Deutschland für ein volkswirtschaftliches Kostenloch von umgerechnet bis zu 138 Milliarden Euro jährlich. Aus unternehmerischer Sicht könnte, wenn man Mitarbeiter anders (oder überhaupt) motivieren würde, die Differenz bezüglich der emotionalen Bindung zwischen den unteren und den oberen 25 Prozent eine um 21 Prozent höhere Produktivität, 25 Prozent weniger Fluktuation, 37 Prozent weniger Absentismus oder gar 41 Prozent weniger Qualitätsmängel mit sich bringen. Leider dominiert in Bezug auf eine wirksame Motivation von Mitarbeitern und dem spürbaren Engagement von Führungskräften überwiegend der Konjunktiv. Die obigen Zahlen offenbaren nicht nur die ernüchternde Erkenntnis verpasster Chancen, sondern belegen, dass die Unternehmen bzw. die dort agierenden Führungskräfte kaum wirkungsvolle Rezepte gegen den anhaltenden Trend "Anteil nicht gebundener Mitarbeiter erhöht sich, Anteil stark gebundender Mitarbeiter reduziert sich”, kennen.

Was also tun?

Sind Sie eine gute Führungskraft?

Sind Sie eine gute Führungskraft? Wenn Sie diese Frage bejahen, dann gehören Sie zu den durchschnittlich neun von zehn Führungskräften, die ebenfalls mit Ja geantwortet haben. Die Befragten begründen dies in ihrem guten oder sogar sehr guten Verhältnis zum Mitarbeiter sowie der Tatsache, dass sie von ihren Mitarbeitern vollends akzeptiert werden. Interessanterweise wird diese Sicht von den Mitarbeitern weniger geteilt. Weit mehr als die Hälfte machen nach einer Forsa-Studie nur noch Dienst nach Vorschrift (61 Prozent), ein Viertel hat sogar innerlich gekündigt. Gründe, die dabei angeführt werden, sind eine geringe Gesprächsbereitschaft der Führungskräfte, schlechtes Informationsverhalten, unzureichende Partizipation sowie fehlende Motivation durch die Führungskraft. Diese offensichtliche Diskrepanz von Selbst- und Fremdbild, auch bekannt als Above-Average-Effekt (Tendenz, sich selbst eine überhöhte Leistungsfähigkeit zuzuschreiben), ist zwar absolut menschlich, in deutschen Unternehmen jedoch auch leider absolut an der Tagesordnung. Führungskräfte unterschätzen nicht nur die Selbstorganisationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter und ziehen damit den (oftmals) falschen Schluss, die Dinge lieber selbst in die Hand zu nehmen, zu planen, zu organisieren und kontrollieren zu müssen. Sie leiten darüber hinaus ihr Führungsverhalten aus sich in der Vergangenheit bewährten, allerdings vollkommen verzerrten Überzeugungen ab: So wird beispielsweise produktive Arbeit mit dem Lamentieren über den eigenen Stress verwechselt, um damit aufzuzeigen, wie viel man zu tun hat und wie wichtig man ist. Unhöflichkeit wird mit Zeitdruck legitimiert. Oberflächlichkeit und Desinteresse für die Belange des Mitarbeiters werden mit der Priorisierung von Aufgaben begründet (Projekt vor Mensch).

Anders führen heißt gehirngerecht führen

Bei all diesen oben beschriebenen offensichtlichen Verfehlungen und Führungsdefiziten stellt sich die Frage, warum wirksame Führung eher die Seltenheit ist. Eine Antwort darauf findet sich im Mittelalter. Seefahrer hatten sich von jeher gefragt, was zu tun oder besser zu unterlassen ist, wenn man am Ende der Welt angekommen ist, damit man nicht von dieser Scheibe, genannt Erde, runter fällt. Würde man den Sturz überleben? Hätte man die Chance vertan, jemals wieder die Heimat zu sehen? Irgendwann konnte man glücklicherweise feststellen, dass man sich die falsche Frage gestellt hatte. Die Erde war bzw. ist gar keine Scheibe. Möglicherweise stellen wir heute, wie die Seefahrer damals, ebenfalls die falschen Fragen. Unternehmen beschäftigt zum Beispiel tagtäglich, mit welchen Anreizsystemen sichergestellt werden kann, dass Mitarbeiter leistungsfähiger werden. Welches deutsche Unternehmen verzichtet heutzutage (schon) auf finanzielle Anreizsysteme? Es ist eine verschwindend geringe Zahl, die wohl am ehesten der Analogie des gallischen Dorfes aus Asterix und Obelix ähnelt. Die Mehrzahl bleibt sich jedoch diesbezüglich treu. Wie aber möchte man herausfinden, was das menschliche Gehirn tatsächlich (noch) oder mehr stimuliert (motiviert), wenn man es fast ausschliesslich mit nur einem Typus von Anreizen, nämlichen dem falschen, füttert?

Das Handlungsfeld “Neuroleadership” setzt bei dieser Frage an. Die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse steht im Zentrum. Welche Bedürfnisse sind das? Status, Gewissheit, Autonomie, Verbundenheit und Fairness. Wie soll das funktionieren? Es sollte alles getan werden, was sich für unser Gehirn als Belohnung anfühlt und alles unterlassen, was unser Gehirn als Bestrafung empfindet und weh tut. Oder anders ausgedrückt: Wenn etwas gut funktioniert, mache mehr davon. Wenn etwas nicht funktioniert, dann mache etwas anderes. Neuroleadership wird auf diese Weise zum (Handlungs-)Muster(un-)brecher, weil es seinen Fokus auf den wahren Erfolgsfaktor im 21. Jahrhundert richtet: Menschliche Reife an den Schlüsselpositionen der Organisation.

Gehirngerecht führen - drei Interventionen, mit denen Sie einen Unterschied machen

Gehirngerechte Führung ist kein Selbstläufer und ein Umdenken wird definitiv nicht von heute auf morgen funktionieren. Gehirngerecht führen zu können, ist aber auch keine angeborene Fähigkeit. Es ist erlernbar - jeden Tag, überall und in jeder erdenklichen (Führungs-)Situation. Worauf warten Sie noch? Mit drei Interventionsanstössen möchte ich Sie einladen, einen Selbstversuch zu unternehmen und einfach mal anders zu führen.

Intervention 1 - Napoleon ist out

Führung bedeutet nicht (mehr), herumzulaufen und kontrollieren zu müssen, ob die Mitarbeiter ihren Job tun. Führung bedeutet ebenso wenig, alles (besser) wissen oder können zu müssen. Die Zeiten der alleinigen Herrschaft auf dem Feldherrenhügel sind vorbei: Ich weiß es - und die anderen nicht. Das war gestern. Begegnen Sie Ihren Mitarbeitern daher auf Augenhöhe. Seien Sie präsent, ausrechenbar, immer ansprechbar und stellen Sie Projektbelange zu keiner Zeit über menschliche Bedürfnisse. Seien Sie transparent und halten Sie Informationen nicht zurück. Kommunizieren Sie klar und einfach und stehen Sie für Fragen bereit. Überall und ständig. Loben Sie, versprühen Sie gute Laune, schenken Sie ein Lächeln. Sehen Sie Fehler als Chance für ein konstruktives Gespräch im Sinne eines Feed Forwards und erkennen Sie an, welche Leistung auch hinter einer weniger guten Arbeit stecken kann.

Intervention 2 - Wer Fragen stellt, muss keine Antworten geben

Wer Fragen stellt eröffnet Bewusstsein. Fragen stellen erfordert jedoch von Ihnen, dass Sie lernen, zuzuhören. Das ist die Basis. Machen Sie sich frei von Ihren Hypothesen, Annahmen und Befürchtungen. Gehen Sie auf die Suche nach den richtigen Fragen und hören Sie einfach nur zu. Fragen gestellt zu bekommen und das Gefühl zu haben, dass einem zugehört wird, gibt Ihrem Gegenüber die Chance, sich in seiner Antwort frei zu entfalten und Ihnen von seiner Innensicht zu erzählen. Geben Sie jeden nur erdenklichen Raum dafür, dies tun zu dürfen. Das Gefühl, in seinem Tun autonom zu sein und die Möglichkeit zu erhalten, selbstbestimmt, Inhalte zu gestalten und seinen ganz persönlichen Beitrag für das Ganze zu leisten, gehört zu den größten Belohnungen, die Sie dem Gehirn geben können - ein wahres Fest der Motivation. Vergessen Sie dabei aber nicht, Leitlinien und Grenzen zu setzen. Zu viel Freiheit hemmt und kann paralysierend wirken. Selbstorganisiert zu arbeiten, ist weit entfernt von dem Zustand der Anarchie. Selbstorganisation braucht Führung - und zwar Ihre.

Intervention 3 - Lernen Sie sich erstmal selber kennen

Wer andere führen möchte, sollte damit beginnen, sich selber zu führen. Nicht selten erlebe ich, dass Führungskräfte nichts von sich und ihrer Gefühlswelt kennen. Emotionale Intelligenz? Fehlanzeige! Was sind Ihre Werte? Wovor haben Sie Angst? Was schätzen Sie an sich selbst am meisten? Was möchten Sie verändern? Schauen Sie auf sich, nicht auf andere. Erlauben Sie Ihren Mitarbeitern, Ihnen den Spiegel vorhalten zu dürfen, um ein authentisches Feedback darüber zu erhalten, wie Sie auf andere wirken und was bei anderen Menschen ankommt, wenn Sie so sind, wie Sie nun mal sind. Vergessen Sie zu guter Letzt nicht, sich selber zu mögen - auch für die Dinge, die Ihnen weniger an Ihnen gefallen.

* Als Neurowissenschaften werden laut Google die Forschungsbereiche von Medizin, Psychologie und Biologie bezeichnet und pauschal zusammengefasst, in denen – meist in Kooperation mit daran angrenzenden Wissenschaftsbereichen wie der Informationstechnik und Informatik bis zur Robotik – Aufbau und Funktionsweise von Nervensystemen untersucht werden.

Literatur

  • Reinhardt, R. (2014). Neuroleadership. Empirische Überprüfung und Nutzenpotenziale für die Praxis. De Gruyter.

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