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Auf den Spuren von Epiktet oder warum Scrum Master keine weißen Fäden sind

Epiktet, griechischer Philosoph, zählt zu den bekanntesten Stoikern im Alten Rom. Einst als Sklave in die Ewige Stadt gewandert, kam er mit den stoischen Lehren in Kontakt und begann, diese auch selbst zu unterrichten. Die Stoiker haben ihren Namen von der Stoa, dem wirkungsmächtigsten Lehrgebäude der abendländischen Geschichte. Hätten wir die Möglichkeit, eine Zeitreise zu starten, wäre die Stoa für jeden Scrum Master sicher ein lohnenswertes Ziel gewesen. Die Stoiker verschrieben sich dem Gedanken, ihren Platz in der Gesellschaft zu erkennen und zu leben, indem sie durch emotionale Selbstbeherrschung und mit der Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe nach Weisheit strebten. Epiktet war für damalige Verhältnisse fast ein Rockstar dieser philosophischen Überlegungen. Seine Lehre setzte sich in erster Linie mit ethischen Fragen auseinander. Dabei unterschied er sich von den meisten seiner Denkbrüder in der Weise, als dass er eine praktische Umsetzung des philosophischen Gedankenguts in den Mittelpunkt stellte: Doing as a way of thinking würde man wohl heute dazu sagen. Innere Freiheit und moralische Autonomie jedes Menschen sind zwei der Kernstücke seiner Lehre.

Ich möchte euch einladen, unsere Reise in die Vergangenheit noch ein wenig fortzusetzen und miteinander Ausschau nach Aspekten in Epiktets Lehren zu halten, die für das Handeln im Alltag eines Scrum Master lohnenswert sein könnten.

 

Versuche dich um Himmels Willen an kleinen Dingen; erst danach mache mit größeren weiter. (Epiktet)

 

Im agilen Umfeld könnte es keine treffendere Handlungsempfehlung geben. In Zeiten von schneller, höher, weiter scheint es fast verpönt sich den kleinen Dingen zu widmen und gut darin zu werden. Scrum wird noch immer als eine Art Selbstläufer verstanden, getreu dem Motto: Mache Scrum und alles wird gut - und natürlich sofort. Gute Scrum Master sollten diesem Irrglauben entgegenwirken. Scrum Master sind Prozesshüter. Ein guter Prozess hat eine erhöhte Produktivität zur Folge. Demnach darf es für einen aufmerksamen Scrum Master nichts wichtigeres geben, als den Prozess zu überwachen. Experimente? Abweichungen vom Prozess? Varianten? Anpassungen? Ja. Aber später. Die Formel für den Erfolg lautet: Basics, Basics, Basics. Was verstehe ich unter Basics? Timebox einhalten, Commitment erfüllen, Selbstorganisation fördern, Impediments beseitigen und am Ende jedes Sprint, ein funktionierendes Stück Software liefern.

Was für ein einzelnes Scrum-Team gilt, kann für ein ganzes Unternehmen nicht schlecht sein! Was bringen mir sämtliche Anstrengungen, skalierte Teams einzuführen, wenn der Scrum-Prozess in den Teams nicht funktioniert? Wer kann auf die Idee kommen, Frameworks wie SAFe (Scaled Agile Framework) oder LeSS (Large Scale Scrum) als handlungsleitend im agilen Alltag einsetzen zu wollen, wenn Scrum Master und Product Owner noch nicht einmal wissen, welche Verantwortung mit ihrer Rolle verbunden ist? Eigentlich macht das keinen Sinn und ist trotzdem an der Tagesordnung.

 

Der Mensch hat zwei Ohren und eine Zunge, damit er doppelt so viel hören kann, wie er spricht. (Epiktet)

 

Ohne Kommunikation ist alles nichts. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und Zuhören ist der Hauptgewinn. Die Basis für ein gutes Gespräch ist das Zuhören (nicht das Reden!). Erfolgreiche Scrum Master sind demnach auch immer gute Zuhörer. Schreibe ich vom Zuhören, dann denke ich mitnichten an das häufig in Interaktionen erlebte "Wackel-Dackel-Syndrom”. Ferngesteuert mit dem Kopf zu nicken, freundlich zu lächeln und damit lediglich dem leider gesellschaftsfähigen Reflex nachzugeben, soziale Schmiermittel zu verteilen, sollte keinesfalls mit einer Zustimmung verwechselt werden, geschweige denn mit der Hoffnung verbunden sein, einen empathischen Zuhörer als Gesprächspartner vor sich zu haben. Zuhören ist eine Kunst und sie wird von nur wenigen beherrscht. Zuhören bedeutet hinzuhören, hinzusehen, emotional mitzugehen, sich einzulassen, anzuerkennen, was ist, dem Gegenüber Raum für seine Welt, seine Perspektive zu geben und gleichzeitig bei sich selber zu sein, auf seine inneren Stimmen zu hören, nicht gleich dem ersten Anflug von Widerstand, Besserwisserei oder Intoleranz nachzugeben, sondern dem, dem man zuhört, eine Bühne zu bauen, die diesem ermöglicht, sich gefahrlos und authentisch darzustellen. Gute Zuhörer beobachten ihren Gegenüber, reagieren mit Resonanz, Spiegelaussagen oder einem Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte auf den gehörten Inhalt und die nonverbalen Botschaften. Insbesondere die Mimik gibt uns in diesem Zusammenhang zuverlässig Auskunft über emotionale Ladungen unseres Gegenübers. Sieben mimische Einwandsignale (z. B. Stirnrunzeln, Naserümpfen, Lippenschürzen) lassen den aufmerksamen Beobachter im Gesicht des Redners wie in einem offenen Buch lesen. Dabei verrät die Mimik zwar nicht, warum ein bestimmtes Gefühl oder ein mimischer Ausdruck gezeigt wird, allerdings potenziert eine gute Emotionserkennungsfähigkeit die Chance, dass sich der andere (zumindest) verstanden, auf Augenhöhe wahrgenommen fühlt und das Gespräch (und vielleicht auch Sie) positiv im Gedächtnis behält.

Geheimtipp für alle Zuhörer und Beobachter: Vor ein paar Wochen wurde in einer verhaltenswissenschaftlichen Studie ein neuer Gesichtsausdruck entdeckt: das sogenannte “Not-Face” - ein mimisches Einwandsignal, das eine Verneinung zum Ausdruck bringen soll. Versuchen Sie selbst! Stellen Sie sich vor einen Spiegel und sagen Sie mit Ihrer Mimik: Nein! In der Studie (158 Probanden unterschiedlicher Kulturen) zogen sich bei über 96% die Augenbrauen zusammen. Über 70% hoben ihren Kinnbuckel, pressten die Lippen zusammen und /oder pressten einen Mundwinkel ein. Mimisch zu verneinen vereint demnach drei emotionale Teilausdrücke: Ärger, Ekel und Verachtung.

 

Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen. (Epiktet)

 

Wahrnehmung erzeugt Wirklichkeit. Scrum beunruhigt nicht. Die Vorstellungen und Meinungen, die noch immer viele Menschen im Unternehmen von Scrum haben, geben allerdings zu denken und machen Sorgenfalten oder Angstzustände nachvollziehbar. Die Gerüchteküchte brodelt. Wer Scrum macht, muss nicht mehr planen. Scrum ist Chaos. Scrum ist Anarchie. Wer Scrum macht, sollte den Laden gleich zu machen. Die Liste ließe sich noch unendlich fortsetzen. Gleichzeitig ist sie Beweis dafür, dass die Vorstellungen und Meinungen von diesem Dingsbums “Scrum” nach Hilfe schreien. Scrum Master, das ist euer Job! Schafft Transparenz, erklärt den Prozess und hört nicht auf damit. Werdet nicht müde, die Vorstellungen und Meinungen der Menschen in euren Teams, in eurer Organisation zu kanalisieren, zu bündeln und ihnen eine Erkenntnis zu schenken: Scrum funktioniert!

 

Ich bin wie der Purpurstreif im Kleide. Verlange nicht, dass ich den anderen gleich sein soll. (Epiktet)

 

Mit dieser Verszeile bringt Epiktet die Bedeutung der Rolle “Scrum Master” auf den Punkt. Das zitierte “Kleide” meint die im Alten Rom getragene Tunica, die für gewöhnlich aus weißem Stoff war. Purpurne Fäden in dem weißen Mantelstoff waren eher selten und besonders.

Scrum Master sind die purpurnen Fäden einer Organisation. Sie sind nicht besser, aber sie sind anders. Scrum Master streben nach Veränderung und kontinuierlicher Verbesserung. Scrum Master vertrauen auf den Prozess. Scrum Master agieren mit einer Haltung, die angelehnt an Scrum-Werte wie Offenheit oder Mut, ihr eigenes Handeln dem Erfolg des Teams unterwerfen. Scrum Master machen den Unterschied und der Unterschied glänzt purpurn.

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