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Frauen in Führungspositionen

Ein Interview mit Ricarda Memel

Ricarda Memel ist seit 2021 Geschäftsführerin der TEAMWILLE GmbH. Empowerment ist für sie der Schlüssel zum Erfolg. Wenn alle Mitarbeitenden wissen, wohin die Reise gehen soll, können auch alle ihren Beitrag zum Erfolg der Unternehmung leisten. In ihrer Führungsrolle sieht sich Ricarda eher als Enablerin – sie sorgt dafür, dass alle haben, was sie benötigen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren.

Dabei ist Führung für sie eher prinzipienorientiert und folgt weniger starren Regeln. Nur so können Mitarbeitende auch ihre Potenziale entfalten. Im Interview erzählt Ricarda von ihrem Werdegang und verrät, dass sie mit ihrem Verständnis von Führung schon hin und wieder angeeckt ist – davon und von Entscheidungen aufgrund von Alter und Geschlecht hat sie sich nicht beeinflussen lassen. Ihr Ziel: Etwas bewegen.

Ricarda, du bist gelernte Sozialpädagogin. Was hat dich zum Wechsel in die Beratungsbranche bewogen?

1995 habe ich ein halbes Jahr ein Praktikum im Bereich Grafikdesign in einer (damals) großen, internationalen Werbeagentur absolviert und musste feststellen, dass mir die Menschen fehlen. Anschließend war ich 6 Monate in der Lebenshilfe tätig, hatte ziemlich viel „Mensch“ um mich und erkannte, dass ich in diesem Bereich gerne weiter tätig sein möchte. 

Mein Weg hat mich dann von einer klassischen Ausbildung zur Erzieherin über eine Zusatzausbildung zur Erlebnispädagogin in die Sozialpädagogik geführt. Auf diesem Weg habe ich viele interessante und inspirierende Menschen kennengelernt, die im Bereich Bildung, Personal- oder Organisationsentwicklung tätig waren und meinen Werdegang beeinflusst haben. Der Mensch stand also schon früh im Mittelpunkt meines Interesses. 

Ein weiterer Punkt war, dass ich im sozialen Bereich (ich habe ja vor allem viele Jahre in der offenen Kinder- und Jugendarbeit verbracht) die Möglichkeit sah, den Menschen Themen und Bereiche zugänglich zu machen, die für sie in dem Moment nicht zugänglich sind. „Empowerment“ ist für mich das Wort, das mir dabei in den Kopf kommt. Das ist für mich etwas Aktives, an dem alle mitwirken müssen und ein Ziel erreichen wollen, eine gemeinsame Idee haben, wo die Reise hingehen soll.

 

Welche Hürden hast du als Frau in deinem Werdegang und auf deinem Weg zur Führungskraft erlebt?

Spontan sage ich: Keine, die nicht andere Menschen, egal, ob Frau oder Mann auch hatten. Meine Pubertät, in der ich keine große Lust auf meine eigene Bildung und Ausbildung hatte, oder die konstante Unlust, mich auf Prüfungen vorzubereiten, waren dabei für mich wohl die größten Hürden. 

Grundsätzlich bin ich mit der Haltung aufgewachsen: Wer Einfluss hat, kann mehr bewirken und mehr in Bewegung setzen. Mehr Einfluss wurde immer mit einem „höheren“ Status gleichgesetzt. Aus dieser Sozialisation heraus war es mein Antrieb, Dinge selbst gestalten und Entscheidungen möglichst eigenständig treffen zu können. Auch hier denke ich lieber wieder an „Empowerment“ als an den Begriff „Macht“, der im Deutschen gerne verwendet wird. Das Geschlecht wurde in meiner Erinnerung dabei nie erwähnt, im Sinne von „dass das nur Männer dürften …“ 

Wenn ich die Frage etwas weiter fasse, gab es aber Erlebnisse, die mich geprägt haben. Ich komme aus einem Elternhaus, in dem es egal war, ob ich als Mädchen mit aufgeschlagenen Knien nach Hause kam oder ob ich mir Matchbox-Autos statt Barbies gewünscht habe (auch Barbies standen natürlich auf meinem Wunschzettel). Von daher habe ich in meiner Kindheit nicht erlebt, dass es einen Unterschied zwischen „Mädchen“ und „Jungen“ gab oder ich oder meine Freunde und Freundinnen aufgrund unseres Geschlechtes irgendeine Art der Stigmatisierung oder Zuschreibung erfahren haben. 

Am Gymnasium in einer Vorstadt von München habe ich diesen Unterschied dann das erste Mal erlebt: Auf eine Rückfrage meiner Klassenkameradin antwortete unser Mathelehrer, dass die Mädels in der Klasse nicht immer so viel Fragen stellen und sich besser auf Hauswirtschaft konzentrieren sollten, weil sie – aus seiner Sicht – später ja sowieso zu Hause sein werden. Ich habe das damals nicht verstanden.

Es war für mich so irritierend, dass ich es meinen Eltern erzählte. Die Konsequenz waren ein paar Gespräche zwischen der Schule und meinen Eltern, mit dem Ergebnis, dass ich die Schule wechselte. Für den Rest meiner Gymnasial-Karriere habe ich dann ein katholisches Mädchengymnasium besucht – die Entscheidung hatte ich getroffen – wohl eher, weil ein Teil meines Freundeskreises damals in diese Schule ging und weniger aufgrund der Geschlechtertrennung. Hier habe ich das erste Mal „Ausgrenzung“ erlebt, da ein striktes Verbot für Jungen galt. 

In meinem frühen Arbeitsleben gab es eine weitere Situation, die mich stark bewegt hat: Als junge Führungskraft bot mir mein Vorgesetzter eine „höherwertige“ Position in einem Projekt an. Ich habe ihm (in meiner Erinnerung) wertschätzend abgesagt, weil Projekt und Thema nicht meiner Entwicklungsrichtung entsprachen und hatte ihm gleichzeitig eine ehemalige Praktikantin, die in meinem Team tätig war, empfohlen.

Seine Reaktion: Großes Unverständnis. Wie konnte ich ihm eine „ehemalige Praktikantin“ empfehlen, für einen Job, den er mir angeboten hatte. Dann wäre ja meine ehemalige Praktikantin „höher“ als ich? Auch das war sehr irritierend für mich, da sich mein Blick und die Empfehlung auf die Kompetenzen und Stärken der Person, die ich empfohlen hatte, richteten und nicht auf ihre hierarchische Stellung in Relation zu mir und meiner Position. 

Ich habe schnell gemerkt, dass ich als „Führungskraft“ anscheinend anders denke und damit auch bei anderen Menschen kulturell anecke. Besitzstandsdenken und -handeln finde ich abstoßend und die Anerkennung dessen, was jemand (in diesem Fall „meine“ ehemalige Praktikantin) kann, erfüllt mich doch auch mit Stolz, da ich hoffe, dass ich einen Beitrag für das geleistet habe, was sie heute kann und macht und wer sie ist. 

Dass es Bevorzugungen, Diskriminierungen oder (wie oben) Entscheidungen gab, die aufgrund von Alter oder Geschlecht getroffen wurden, war mir immer bewusst und habe ich selbst erlebt. Ich persönlich habe aber nie darüber nachgedacht, etwas als Frau nicht zu dürfen oder mich von meinem Vorhaben abbringen oder irritieren zu lassen. Ich wollte etwas bewegen, das war mein Ziel und darauf habe ich immer hingearbeitet.

Würdest du deinen Führungsstil als weiblich beschreiben?

Die Frage können meine Kolleg*innen wahrscheinlich noch besser beantworten. 

Ich treffe Entscheidungen mit Bauch und Kopf, manche intuitiv und eher schnell, andere mit vielen Gesprächen und unter Abwägung von Einzelheiten. Ich lege Wert darauf, dass Emotionen im Raum und Gespräche Platz haben, denn dann kann ich echt sein. 

Wenn du mit deiner Frage meinst, ob ich mal weine? Ja. 
Auch vor und mit meinen Kolleg*innen? Ja. 
In vollem Bewusstsein, was das für eine Wirkung hat? Nein. 

Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es eher eine öffnende Wirkung hat, wenn ich mich mit meinen Emotionen und Gedanken so zeigen kann, wie es mir geht und wie ich bin und damit Menschen indirekt dazu einlade, sich so zu zeigen wie sie sind. Ich denke, ich habe eine offene Art, die Menschen einlädt, mit mir in den Kontakt zu kommen und nicht „per Funktion und Rolle“ abschreckt. 

Bei TEAMWILLE haben wir uns schon vor ca. fünf Jahren auf den Weg gemacht, ein klassisches, hierarchisches Konstrukt in ein soziokratisches, prinzipiengeleitetes Organisationsmodell zu wandeln und ein System zu schaffen und zu erhalten, das ganz ohne systembedingte Machtdemonstrationen auskommt – kein Gesichtsverlust, kein Säbelrasseln, kein toxisches Arbeitsumfeld. Das sind alles Elemente, die in einem Unternehmen höchst schädlich sind und uns davon abhalten, einen guten Job zu machen. 

Unser Organisationsmodell basiert auf Themen, Verantwortungsbereichen sowie Centers of Competence. In diesen spezialisierten Bereichen werden unsere Produkte und Dienstleistungen fachlich verantwortet und fortlaufend weiterentwickelt. Die jeweiligen Bereiche haben die Autonomie, ihren Bedarf an Kapazitäten, Ressourcen und die notwendigen Schritte zur Umsetzung eigenständig zu bestimmen.In meiner Rolle als Geschäftsführerin fungiere ich als Orientierungspunkt für strategische Prinzipien. Diese Prinzipien sind transparent und dienen als Leitlinien für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mir liegt am Herzen, die Entwicklung von Strategie, Vision und Mission zu entmystifizieren. Eine breite Verständigung über unsere Position am Markt, die Erwartungen unserer Kunden und die sich daraus ergebenden Themenmöglichkeiten sind entscheidend für die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen und Produkte.

Mein Führungsstil ist also stark prinzipienorientiert und weniger regelorientiert. Ich höre immer wieder, dass das mit einer der größten Unterschiede zu anderen Unternehmen ist. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass es ein guter Weg ist, um „Empowerment“ bei möglichst vielen Kolleg*innen zu ermöglichen, nicht in sinnbefreiten Regeln zu stecken und mit diesen Regeln über Anforderungen aus einem dynamischen Umfeld zu entscheiden. Bei unseren Führungsverantwortungen ist es nicht wichtig, wie alt jemand ist, welchem Geschlecht er oder sie angehört, wie viele Stunden jemand arbeitet, ob er oder sie Kinder hat oder oder oder… 

 

Mitarbeiter*innen mit Führungsrollen bei TEAMWILLE sehen sich eher als Entwicklungscoach. Kannst du als Geschäftsführerin auch diese Rolle einnehmen?

Das hoffe ich doch sehr. Ich verbinde mit dieser Rolle vor allem eine Haltung und eine Wirkung, die ich erzeugen kann. Diese ist für mich geprägt durch die offene und wertschätzende Haltung dem Menschen gegenüber. 

Letztendlich ist es doch so, dass wir zwar ein Wirtschaftsunternehmen sind und mit dem, was wir tun, Geld verdienen müssen. Aber wir sind doch auch ein Platz, an dem Menschen zusammenkommen und zusammen eine ganze Menge Zeit verbringen müssen oder hoffentlich wollen. Wir geben alle unser Bestes, entwickeln neue Ideen und uns dabei persönlich weiter und – vielleicht ist das der wichtigste Grund, der uns bei TEAMWILLE antreibt – wir wollen die Welt auch ein bisschen besser machen, mit dem, was wir können, tun und entstehen lassen. 

Mich als Geschäftsführerin sehe ich da eher in der Rolle der Person, die Dinge für unsere Organisation und damit für die Kolleg*innen möglich macht. Alles soll in eine große Idee passen, die wir bei TEAMWILLE haben und konsequent verfolgen.

Mich unterscheidet vielleicht gar nicht so viel von einer Handwerkerin aus dem Mittelalter. Wenn es eine Handwerkerin (oder damals vermutlich noch einen Handwerker) gab, die gute Arbeit geleistet hat (also eine positive Wirkung erzeugt hat), dann wurde sie weiterempfohlen. Dies führte zu mehr Aufträgen, zu mehr Wohlstand und zu „mehr“ für die ganze Familie. Hielt die Auftragslage an, konnte ein Lehrling eingestellt werden und damit auch ihm*ihr der Wohlstand zugänglich gemacht werden. Machte diese*r sich gut, konnte vielleicht ein eigener Betrieb gegründet und so wiederum der Wohlstand für weitere Menschen zugänglich gemacht werden.

Ich bin weit davon entfernt ein verklärtes oder sogar romantisches Bild vom Mittelalter zu haben, aber die Haltung, die damals bereits einige ehrbare Kaufmänner*frauen für sich entdeckt und gepflegt haben, erlebe ich in der heutigen Unternehmer*innenwelt in einer großen Polarisierung – entweder gar nicht, oder mit voller Überzeugung. 

Ich denke wir sind noch immer verpflichtet, unseren Wertbeitrag für die Gesellschaft zu maximieren und damit anderen Menschen „mehr“ zugänglich zu machen, damit wir gemeinsam noch mehr möglich machen können. 

Die Unternehmensphilosophie von TEAMWILLE steht ja für Selbstorganisation und Mitbestimmung der Mitarbeiter*innen. Wie bringst du diese Vision als Führungskraft in die Umsetzung?

Für die Umsetzung unserer Vision steht für mich an erster Stelle, dass ich mir die Vision in der Erfüllung vorstellen kann. Ich kann mich in dieser erfüllten Vision bewegen, kann Menschen agieren sehen, hören und spüre wie sie sich anfühlt - mit einem guten Gefühl. 

Die Kraft, die diese Idee hat, ist wie ein Motor, der mich antreibt und gleichzeitig für eine konstante Motivation sorgt. Natürlich läuft nicht immer alles super und nicht immer alles in Richtung Zielbild. Die Umsetzung oder konkreter die Realisierung dessen, was ich im Zukunftsbild sehen und spüren kann, ist der Weg dahin, den wir nur gemeinsam als Organisation gehen und realisieren können. 

Ich versuche das Bild, das ich habe, mit möglichst vielen Menschen aus unserer Organisation möglichst vielfältig zu teilen, also möglichst viele Menschen teilhaben zu lassen an dem, was ich da sehen kann und frage konsequent, was jede*r Einzelne auf dem Weg dahin braucht.

Last but not least – welche drei Tipps gibst du Frauen, die eine Führungsposition anstreben, um dieses Ziel zu erreichen?

  1. Unterscheidet nicht nach Geschlechtern! Es geht nicht um eine Quote, die anhand von äußeren Geschlechtermerkmalen erfüllt werden muss. Heterogenität zeigt sich in der Art und Qualität der Diskussionen und bringt Kraft und Kreativität hervor, die alle Beteiligten innerhalb und außerhalb einer Organisation weiterbringt. 
  2. Tue das, was du tust, mit Fokus, Aufmerksamkeit und Anspruch – vor allem aber mit Herz, Spaß und Leidenschaft. 
  3. Mach es einfach, es macht riesig Freude. Limitierungen gibt es nur im eigenen Kopf.

 

Vielen Dank, Ricarda, für deine Offenheit und den spannenden Einblick in deine Rolle als Geschäftsführerin. Dieses Interview ist im Rahmen des 30-jährigen Firmenjubiläums des pme Familienservice und des damit verbundenen Events "Womanomics - Frauen an die Spitze" entstanden.

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Ricarda Memel

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